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Es ist wichtig zu wissen, dass die kleine Schule (in Jena) den Kindern half, „Denken und Wollen anderer Weltanschauungsgruppen“ zu achten und zu verstehen „und daß man die Kunst der Kooperation mit Andersdenkenden“ ernsthaft lernte. So gesehen ist die Frage nach der optimalen Unterrichtsmethodik zweitrangig gegenüber der alles entscheidenden Frage, wie der Unterricht „den beiden Ideen der Ehrfurcht vor dem Leben und der Erziehung, d.h. der Freimachung des Menschentums in jedem Kinde“, ohne Einschränkung dienen kann. (Petersen, Peter, Eine freie allgemeine Volksschule)

Zitiert aus: Eichelberger, Harald &Wilhelm, Marianne, Der Jenaplan heute – eine Pädagogik für die Schule von morgen. Innsbruck 2000. Studienverlag.

Harald Eichelberger

Der Jenaplan nach Peter Petersen

Wer von „Elementen“ „Merkmalen“ oder „Formen“ des Jenaplans sprechen will, muß zunächst „voll und ganz begreifen, daß fremdes Seelenleben vom Ursprung her unsere Seele nährt, daß wir auf Gemeinsamkeiten und aus Gemeinsamkeiten leben, und daß wir erst schöpferisch werden in dem Augenblick, wo das fremde Seelenleben auf uns einwirkt. Und da dies vom ersten Augenblick an geschieht, so steht demnach jeder Mensch vom Ursprung her auf der Gemeinschaft“.[1]

Die Jena-Plan-Schulen nach Peter Petersen

Entstehung

Peter Petersen wurde in den frühen Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts in Jena beauftragt, die universitäre Volksschullehrerbildung aufzubauen und das Verhältnis von pädagogischer Theorie und Praxis auf eine neue Grundlage zu stellen. Peter Petersen leitete zu dieser Zeit die Lichtwark-Schule in Hamburg-Winterhude. Diese Schule war auf der Grundlage der Schulreformbewegung gegründet worden, um junge Menschen auf die selbstbestimmte und verantwortliche Partizipation an der Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens vorzubereiten, wohl auch, um den immer stärker werdenden faschistischen Strömungen den geistigen Boden zu entziehen.

Es war dieser Schule wichtig, das „volle Leben“ in die Schule hineinzunehmen, Lernräume außerhalb der Schule zu finden, die Fächertrennungen zu überwinden und einen Arbeitsunterricht zu kultivieren, der es jungen Menschen ermöglicht, selbständig und interessengeleitet zu lernen. Ganz selbstverständlich war es ihr, an der Überwindung der Klassen- und Konfessionsgrenzen zu arbeiten und eine „Schulgemeinde“ zu sein, in der Eltern, Lehrer und Schüler gemeinsam versuchen konnten, die angestrebte neue demokratische Gesellschaft schulisch zu antizipieren.

Peter Petersen nannte sein Institut „Erziehungswissenschaftliche Anstalt“, angeschlossen eine „Übungsschule“; dieser Terminus von Peter Petersen wurde auch an unseren Pädagogischen Akademien später verwendet.

Ausgangsform

Der Jenaplan reizt zur steten Schulreform von innen, weil die pädagogisch-anthropologischen Grundmotive Peter Petersens besondere schulpraktische Möglichkeiten eröffnen. In den Grundbegriffen wird diese Behauptung näher erläutert.

1924 wandelt Peter Petersen die Universitätsschule in Jena in eine „Lebensstätte des Kindes“ um. Zunächst wird eine sechsjährige Grundschule, 1925 eine allgemeine Volksschule eingerichtet. 1937 wird ein Fröbel-Kindergarten angeschlossen. Der Jenaplan wird als Ausgangsform bei der Gestaltung vieler Schulen wirksam.

Nach dem 2. Weltkrieg arbeiten nur wenige Schulen in Deutschland nach dem Jenaplan Peter Petersens. In den Sechzigerjahren wird in den Niederlanden eine Jenaplan-Bewegung angeregt, die zum jetzigen Zeitpunkt ungefähr 200 Grundschulen umfasst. Von dort inspiriert, entwickelt sich seit 1974 in Köln und Umgebung eine innere Schulreform nach den Prinzipien Peter Petersens. Ungefähr 20 Schulen berufen sich in und um Köln auf den Jenaplan.

Auch in den sogenannten neuen Bundesländern wird der Jenaplan wieder entdeckt.[2]

In Österreich ist der Jenaplan noch nie verwirklicht worden und beginnt erst, über die Lehrerbildung bekannt zu werden.

Leben und Werk

1884

Geboren am 26. Juni in Großwiehe bei Flensburg

1904

Abitur, Studium in Leipzig, Kiel, Kopenhagen und Posen

Peter Petersen studiert Evang. Religion, Anglistik, Geschichte, Hebräisch, Philosophie und Nationalökonomie.

1908

Promotion in Jena

1909

Staatliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien

Hilfslehrer in Leipzig, Oberlehrer am Johanneum in Hamburg

1912

Vorstandsmitglied des „Deutschen Bundes für Schulreform“ –

konsequente reformpädagogische Orientierung bei der Arbeit

1920

Habilitation an der Universität Hamburg

Lehrer und Leiter der Lichtwarkschule, einer reformpädagogischen Oberschule in Hamburg

1923

Berufung als Professor der Erziehungswissenschaft an die Universität Jena

1924

Umwandlung der Universitätsschule in eine Lebensstätte des Kindes

1927

Tagung des „Weltbundes für Erneuerung der Erziehung“ in Locarno; Peter Petersens Schulversuch erhält dort den Namen „Jenaplan“

1928

Studien- und Vortragsreise durch Amerika

1937

Ehrendoktor der Universität Athen

1945

Dekan der Sozial-Pädagogischen Fakultät der Universität Jena

1948

Entpflichtung als Dekan

1950

Schließung der Universitätsschule durch die SED

1952

Peter Petersen stirbt in Jena und wird in Großenwiehe begraben[3]

Grundbegriffe

Hier kann das pädagogische Begriffssystem nur angedeutet werden. Gerade die Schriften Peter Petersens zwingen zu einer intensiven Lektüre, die Grundbegriffe sollen dazu verleiten.

Schulen unter der Idee der Erziehung

„Wie soll die Erziehungsgemeinschaft beschaffen sein, in der und durch die ein Mensch seine Individualität zur Persönlichkeit vollenden kann?“[4]

Individuum/Bildung

Jedes Individuum entwickelt sich nach einem ihm eigenen Bildungsgesetz. Bildung ist Entwicklung, Entfaltung und Formung des einzelnen nach seinen Möglichkeiten.[5]

Persönlichkeit/Erziehung

Erziehung vollzieht sich in und durch die Gemeinschaft. Das Individuum bringt sich mit all seinen Fähigkeiten und Kenntnissen absichtslos in die echte Gemeinschaft ein und erfährt so seine Sinnerfüllung: Das Individuum wird zur Persönlichkeit durch Leben in der Gemeinschaft.[6]

Gemeinschaft

„Wollen wir also hinaus über die Klasse, wollen wir mehr als eine soziale Gruppe, dann müssen wir unsere Gruppen so gestalten und nun auch so leben lassen, daß in ihnen Raum ist für das zwischenmenschliche Geschehen und damit für eine wirkliche Gemeinschaftsbildung.“[7]

 

Eine pädagogische Situation

a)     

b)    

c)     

  1. ein problematischer Lebenskreis von Kindern oder Jugendlichen um einen Führer

 

Umweltgestaltung

Führung des Unterrichts

  1. von diesem in pädagogischer Absicht derart geordnet,

Spannung

 

  1. dass jedes Mitglied des Lebenskreises genötigt (gereizt, aus sich herausgetrieben) wird, als ganze Person zu handeln, tätig zu sein.[8]

Übernahme

Führung im Unterricht

Freie allgemeine Volksschule

Auf Peter Petersens Hoffnung begründet, (…) „daß diejenigen Lehrer, welche der Schuljugend nicht als Parteipolitiker und nicht als Werkzeuge politisierender Konfessionen dienen wollen, welche also die Idee des pädagogischen Tuns zum Leitgedanken ihrer alltäglichen Berufsarbeit erheben, immer noch die große Mehrheit der Lehrerschaft bilden“.[9] Die Jenaplan-Schule ist überkonfessionell, interkulturell und lehnt weltanschauliche Ausgrenzung ab.

Frei

ist sie deshalb, weil sie Kinder aller Volksschichten, unabhängig von Konfession, Herkunft und Elternhaus aufnimmt,…

Allgemein

ist diese Schule, weil sie bewusst, ausgesprochene Hilfsschulkinder, Knaben und Mädchen, die zu den „Bestbegabten“ der Stadt gehören, vereint …

Der Jenaplan

ist keine Unterrichtsmethode! Er ist vielmehr ein pädagogisches Konzept für „Eine freie allgemeine Volksschule nach den Grundsätzen Neuer Erziehung“.[10] Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Peter Petersen den Jenaplan eine Ausgangsform nennt.

Der Begriff „Ausgangsform“

ist für das Verständnis des Jenaplans konstitutiv. Diese Ausgangsform ist eine wesentliche Unterscheidung gegenüber anderen Schulkonzeptionen oder -modellen. Was in Jena absichtlich und bewusst unter den anerkannten Bedingungen der öffentlichen Schule erprobt wurde, sollte keineswegs ein Vorbild für eine bestimmte Schulart (etwa die Volksschule) sein. Peter Petersen ging davon aus, daß der Jenaplan „in jeder Schule verwirklicht werden kann, nur vorausgesetzt, daß die Erziehungsidee alles pädagogische Tun leiten und frei um ihren reinsten Ausdruck ringen kann.“[11]

„Es war aber der Zweck dieses ersten Versuches: Die Arbeit in einer Grundschulklasse nach den Grundsätzen einer Arbeits- und Gemeinschaftsschule so durchzuführen, daß er an keinem Orte an den finanziellen Mitteln scheitern kann, mit anderen Worten, an nichts außerhalb des Erziehungswillens. Daran ist auch noch in anderer Beziehung festgehalten worden: Es sind keine besonderen Lehrmittel, Bücher, Hefte, Schreibgeräte, Anschauungsmittel verwendet worden …“[12]

Erziehungsidee

Peter Petersen hatte überhaupt keine Hoffnung, dass die der neuen Demokratie adäquate Schule durch neue (und erst recht nicht durch die „alten“ und vielfach bewährten) Schulmethoden zu begründen wäre.

Es ist wichtig zu wissen, dass die kleine Schule (in Jena) den Kindern half, „Denken und Wollen anderer Weltanschauungsgruppen“ zu achten und zu verstehen „und daß man die Kunst der Kooperation mit Andersdenkenden“ ernsthaft lernte. So gesehen ist die Frage nach der optimalen Unterrichtsmethodik zweitrangig gegenüber der alles entscheidenden Frage, wie der Unterricht „den beiden Ideen der Ehrfurcht vor dem Leben und der Erziehung, d.h. der Freimachung des Menschentums in jedem Kinde“, ohne Einschränkung dienen kann.[13]

Erst wenn ein echtes und reiches Gemeinschaftsleben funktioniert, kommen didaktische und methodische Überlegungen und Anstrengungen, die ja unbestritten die „besonderen Aufgaben“ der Schule sind, zu ihrem vollen Recht und zur Entfaltung ihres schulpädagogischen Sinns.

Im gemeinschaftlichen Leben erfährt und erlebt der Mensch, dass er fähig und dass es für ihn notwendig ist, in sich das zu entwickeln und zu kultivieren, wozu nur Menschen fähig sind: zur Güte, zum Mitleid, zum Verstehen, zur Ehrfurcht, zur Treue, zur Rücksicht, zum Verzeihen, zur Freude (usw.). …man erfährt aber ebenso deutlich, dass Gemeinschaft gar nicht erst zustande kommt oder zerstört wird, wenn vielleicht nur eine der angesprochenen Handlungen nicht vollzogen wird, wenn nur eines der menschlichen Gefühle verweigert wird …

Begriff der „Lebensstätte“

… ist es nötig und unverzichtbar, gemeinschaftliches Zusammenleben in der Schule und durch die Schule zu ermöglichen…

Es muss sich in allen Teilen um echtes Leben handeln, damit ein Kind in der Schule nun wirklich lernen kann, verständnisvoll und gütig zu sein. Wie im wirklichen Leben (das muss die „Führung des Unterrichts“ leisten) muss ein Kind direkt erleben und erfahren können, was es für es selbst und natürlich auch für andere Kinder oder die Lehrer und Eltern bedeutet, verständnisvoll und gütig zu sein, was es bedeutet, sich selbst oder anderen die Güte vorzuenthalten oder zu verweigern.

Stammgruppen

Die Lerngruppen sollen in der Regel drei Schuljahrgänge umfassen. Miteinander Arbeiten und gegenseitiges Helfen ist somit natürliches Element im Unterricht. Die Fiktion einer homogenen Lerngruppe existiert im Jenaplan nicht.

Wochenrhythmus/Wochenarbeitsplan

Schulleben und Unterricht sollen in einem natürlichen Wochenrhythmus schwingen. Der sogenannte „Fetzenstundenplan“ wird durch einen Wochenarbeitsplan ersetzt. Dieser Wochenarbeitsplan ist nicht primär Grundlage für die Wochenarbeitsstunden, sondern soll Lernen in fächerübergreifenden Zusammenhängen auf der Basis der „Bildungsgrundformen“ ermöglichen. Diese sollen dabei in regelmäßigem Wechsel aufscheinen.

Schulwohnstube

Der Lernraum soll anregungsreich und wohnlich gestaltet werden. Die „Vorordnungen“ sind Sache des Lehrers, die Ausgestaltung und Pflege Sache der Kinder.

Arbeitsmittel

„…ist ein Gegenstand, der mit eindeutiger didaktischer Absicht geladen ist, hergestellt, damit sich das Kind frei und selbständig dadurch bilden kann.“[14]

Charakteristik statt Zensur

Es werden nach Möglichkeit und Gesetzgebung keine Ziffernnoten erteilt. Als Zeugnis werden ein objektiver und ein subjektiver Bericht erstellt. Der objektive Bericht ist Grundlage für die Verständigung mit den Eltern über die gemeinsame Erziehungsarbeit.

Der subjektive Bericht ist Grundlage für eine abschließendes Gespräch mit dem Kind und zugleich das „Zeugnis“, das mit nach Hause genommen wird.[15]

Dass dort, wo ein Lernen konsequent gepflegt wird, das seinen Anfang beim kindlichen Interesse nimmt, Noten und Zeugnisse ihre hypertrophe Bedeutung einbüßen, verdient kaum erwähnt zu werden, wohl aber, dass nach Formen gesucht wird, Leistungen der Kinder in pädagogisch verantwortlicher Weise anzuerkennen und individuell zu bewerten. Gleichförmigkeit und Uniformität können in keiner Jenaplan-Schule zu rechtfertigen sein.

Das Konzept der Jena-Plan-Schule

Die Jenaplan-Schulen verstehen den Jenaplan Peter Petersens als Ausgangsform für die Bearbeitung der besonderen schulischen und sozialen Schwierigkeiten, die in den jeweils spezifischen  Situationen vorhanden sind. Es gilt dabei das Prinzip der Freiheit der Gestaltungsmöglichkeit des Jenaplans. Diese Konstellation führt zu situativen Schwerpunktbildungen und zu situativen Entwicklungsverläufen. Es stehen, so gesehen, nirgends auf der Welt „fertige“ Jenaplan-Schulen.

Wo Jenaplan-Schulen zu finden sind, dort findet man immer Schulen auf dem Weg zu ihrer pädagogischen Form, wobei die Suche nach dieser Form immer der Versuch einer verantwortbaren und vernünftigen Antwort auf die spezifischen Probleme der Kinder, Lehrer und Eltern an diesem speziellen Ort ist. Da die Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer Arbeit oft das Bewusstsein entwickeln, dass sie überhaupt nichts Besonders tun, sondern etwas Natürliches und Selbstverständliches, verbinden sie mit der Intention Peter Petersens eine Vorstellung, einen „Plan“ zu haben, wie eine „freie allgemeine Volksschule“ in dieser Zeit eigentlich auszusehen hat.

Peter Petersen versteht die Schule als „Lebensstätte und nicht als Unterrichtsanstalt, weil letztere nur am Schüler interessiert sein kann, der Jenaplan aber an der „ganzen Person“ des Kindes. Der Klassenraum darf nicht länger „Belehrungszelle“ sein, er muss vielmehr zur „Schulwohnstube ausgestaltet werden, die den Kindern Geborgenheit bietet und zugleich reiche Möglichkeit zur Erweiterung des Horizonts. Peter Petersen zweifelt energisch daran, ob der „Fetzenstundenplan“ mit seinen permanent expandierenden Fächerkombinationen ein geeigneter Zugang zur Welt für Kinder sein kann. Er entwarf einen „rhythmischen Wochenarbeitsplan“, der die Woche für ein Kind sinnvoll gliedert, Offenheiten und Verbindlichkeiten zugleich schafft und dem lehrerzentrierten Unterricht seine schulpädagogisch sinnvolle Position lässt, aber ihm die Dominanz im Schulalltag nimmt.

Der Lehrer hat das Schulleben und den Unterricht so vorzuordnen (durch eine Pädagogik des Unterrichtes) und im Unterricht solche Hilfen zu geben (durch eine Pädagogik im Unterricht), dass es Kindern gelingen kann, selbständig Probleme zu finden, zu bearbeiten und zu lösen, in Ruhe und Gelassenheit etwas zu Ende zu denken oder eine Aufgabe zu vollenden. So gesehen ist die Jenaplan-Schule auch immer eine Schule des Schweigens und der Stille. Diese Grundhaltung wird noch verstärkt durch die bewusste Kultur der Bildungsformen.

Die Bildungsgrundformen

Gespräch

Nach Peter Petersen ist das Miteinander-sprechen von den vier Aktivitäten der Bildungsgrundformen entwicklungspsychologisch betrachtet auch die wichtigste Kommunikationsform. Die Sprache eines Menschen fordert das Kind zur Aktivität auf… Gemeint sind alle „unterrichtlichen“ Gesprächsformen, die auch wir kennen: Kreisgespräch, Klassengespräch, Gruppengespräch, Berichte, Aussprache, Lehrgang, belehrende Unterhaltung, Frühstück,…

Spiel

…bedeutet, dass in einer Jenaplanschule für die Kinder genügend Gelegenheit zum „freien“ Spiel vorhanden sein muß, wobei der Lehrer beobachtet. Das Spiel wird als gänzlich anderer Bereich der menschlichen Entwicklung gesehen als z.B. die Arbeit.[16] Beispiele: Freies Spiel, Lernspiel, Zweckspiel im Sport und in der Pause, Schauspiel, …

Arbeit

Peter Petersen unterscheidet in der Arbeitssituation die „Gruppenarbeit“ und die „Kurse“. Während der Gruppenarbeit sitzen die Kinder in ihrer Stammgruppe in Tischgruppen. Die Kinder dürfen sich ihren Platz und ihren Arbeitspartner aussuchen. In den niederländischen Jenaplanschulen wird diese Gruppenarbeit „blokperiode“ genannt. In diesen Perioden von täglich mehr als 100 Minuten arbeiten die Kinder an Aufgaben aus den Bereichen der Mathematik, Sprache, Natur- und Kulturorientierung, sie bereiten die Tagesbeginn- oder Wochenschlußfeier, den Lesekreis, usw. vor. Oft wird die Arbeit in Form eines „Arbeitskontraktes“ festgelegt; für die Einhaltung des Kontraktes ist das Kind verantwortlich (mit Hilfe des Lehrers).Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Kurs;

Feier

vom Lehrer dargeboten oder geleitet, von den Schülern selbständig gestaltet; in der Stammgruppe, Schulstufe oder Schulgemeinde. Die Feier ist nach Peter Petersen eine Aktivität, die zur Schule als eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft gehört.

Die Gruppierungsformen

Die Möglichkeit der Einzelarbeit eines Kindes korrespondiert mit der Möglichkeit in der Gruppe zu arbeiten, wobei die Bezugsgruppe für jedes Kind seine „Stammgruppe ist, in der die Jahrgangsklassen aufgelöst sind, auf deren Bankrott Peter Petersen nicht müde wurde hinzuweisen. Die Stammgruppe wiederum ist eingelagert in die Schulgemeinde.

Eines der deutlichsten äußeren Kennzeichen des Jenaplanunterrichts ist die Gruppierung der Kinder; möglicher Altersaufbau der Gruppen nach Peter Petersen:

  • 5 –     Kleinkindergruppe
  • 6 – 9 jährige Kinder
  • 9 – 12 jährige Kinder
  • 13 – 14 jährige Kinder
  • 15 – 16 jährige Kinder.

Peter Petersen wendet sich immer wieder entschieden gegen die klassikale Unterrichtsstruktur und gegen eine altershomogene Klasseneinteilung. Beispielhafte Konsequenzen des auf J. Amos Comenius zurückgehenden altersmäßigen Unterrichtes: Bürokratisierung, Einteilung des Lehrstoffes für ein Jahr, für ein Monat, für eine Woche (z.B. Wochenthema), für einen Tag, … Stunde, Ziele, Lehrplan, Sitzenbleiben …[17]

Die Stammgruppe

In dieser Gruppe werden die Kinder unterschiedlichen Alters bewusst zusammengebracht. Peter Petersen spricht aber erst von einer Stammgruppe, wenn die Altersheterogenität auch pädagogisch benutzt wird. In dieser Stammgruppe hat ein Kind einige Jahre denselben Lehrer.

Die Tischgruppe

Innerhalb der Stammgruppe unterscheiden wir Tisch- und Arbeitsgruppen. Sie werden frei von den Kindern zusammengestellt. Funktion der Tischgruppe kommt am deutlichsten bei der Gruppenarbeit zum Ausdruck.

Die Niveaugruppe

In diese Gruppe(n) werden Kinder eingeteilt, die ungefähr den gleichen Lernfortschritt in einem bestimmten Lerngebiet haben. Programmteile einer Jenaplanschule, die so organisiert werden, werden Niveaukurse genannt. Ab dem 5. Schuljahr werden in der ganzen Schule die Niveaukurse täglich gleichzeitig organisiert. Durch die Organisation in Niveaukursen ist das Sitzenbleiben überflüssig geworden. Jedes einzelne Kind kann in seinem Lerntempo den Stoff, der so organisiert wird, bewältigen.

Die freie Wahlgruppe

Ein Kind wählt für eine bestimmte Periode eine Aktivität aus, für die es sich speziell interessiert. Durch seine eigene Wahl verpflichtet sich das Kind, diesem Kurs zu folgen, bis eine andere Auswahl möglich ist.

Der rhythmische Wochenarbeitsplan

Der Unterricht in einer Jenaplanschule besteht in einer Aneinanderreihung verschiedener Urformen und pädagogischer Situationen. Der herkömmliche Stundenplan paßt nicht dazu. Die Alternative zum Stundenplan ist im Jenaplankonzept der sogenannte rhythmische Wochenarbeitsplan, worin angegeben wird, welche Aktivitäten wann an der Reihe sind:

  • Der Wochenarbeitsplan zeigt, wie man durch Gesprächs-, Spiel-, Arbeits- und Feiersituationen nach einer rhythmischen Ordnung bestrebt ist.
  • Der Montagmorgen fängt mit einer Feier, mit einem Gespräch an.
  • Im Wochenarbeitsplan sind einige Perioden für die Gruppenarbeit aufgenommen.
  • Der letzte Schultag der Woche endet mit einer Feier, einem Gespräch.
  • Der Wochenarbeitsplan enthält für den letzten Schulwochentag eine Periode für die Freie Arbeit – Übernehmen von Verantwortung.

 

Die Individualisierung des Unterrichtes

Der Jenaplan will diesen individuellen Prozess des Sinnentdeckenden Lernens in den Vordergrund der pädagogischen Arbeit stellen. Wie z.B. jemand nach einem Gespräch über bestimmte Themen denkt, ist seine Sache. Das Besprechen der Probleme und die Übertragung von Fachkenntnissen sind darum zwei verschiedene Sachen. Diese Kenntnisse liefern die notwendige Basis für einen sinnvollen Dialog. Wird nichts mit den Kenntnissen gemacht, dann bleiben sie steril. Werden diese nicht erlebt, physisch, rational und emotional, dann bleibt die Integration aus, dann füttern wir im Unterricht nur das Gedächtnis..

Beispiele von Charakteristiken statt Zensur

Es sind Beispiele, die mit unserer Vorstellung von Noten kaum mehr etwas gemein haben. Es wird den Kindern  und den Eltern genau Auskunft gegeben, und in dem Sinne sind die hier zitierten Möglichkeiten sicher vielsagender als unsere Ziffernnoten. Jede Jenaplanschule wird sich nach gesetzlichen Möglichkeiten ihre Form der Charakteristik zurecht legen. Ziffernnoten wird es aber Zusammenfassung:

Möglichkeit der Gestaltung einer sehr flexiblen und kindgerechten Schulorganisation und Schuleingangsphase durch die Lehrer. Organisation: Stammgruppen mit den pädagogischen Vorteilen der Altersheterogenität, Kinder lernen mehr voneinander; hoch differenzierter und individualisierender Unterricht und Niveauunterricht Schülermitplanung und Schülermitgestaltung bei Schulorganisation, Betonung des Gespräches und der Feier, Freiheit der Schulgestaltung nach einer Ausgangsform!

 „Aus der Schule als Ganzem etwas Neues zu machen, d.h. das ganze Schulleben von Grund auf radikal zu ändern. Und dann gelte es, dort hinein den Unterricht zu setzen und sorgfältig zu prüfen und zu erproben, wie sich dieser ändern werde, wenn man gezwungen sei, immer jenes neue Schulleben zu erhalten, die neue Schulgesinnung zu bewahren, also kurz gesagt: Den Unterricht der Erziehung zu unterwerfen, zuerst Erzieher, dann erst Lehrer zu sein“.[18]

 



[1]              Petersen, Peter, Allgemeine Erziehungswissenschaft, Berlin 1924

[2]              Zusammenstellung Jenaplan-Forschungsstelle der Justus-Liebig-Universität in Gießen

[3]              Zusammenstellung Jenaplan-Forschungsstelle der Justus-Liebig-Universität in Gießen

[4]              Petersen, Peter, Der kleine Jenaplan – 54/55. Aufl. Weinheim 1974, S.7

[5]              Vgl. Maria Montessori, Die Entdeckung des Kindes; sie verwendet den Begriff des 

                  „inneren Bauplanes des Kindes“.

[6]              Prospekt der Jenaplan-Forschungsstelle der Justus-Liebig-Universität in Gießen

[7]              Petersen, Peter, Der kleine Jenaplan, a.a.O., S.11f.

[8]              Petersen, Peter, Führungslehre des Unterrichts, 5.Aufl. Weinheim 1955, S.20

[9]              Petersen, Peter, Eine freie allgemeine Volksschule, in: Röhrs, Hermann, Reformpädagogik,

                  Weinheim 1994, S. 209ff.

[10]            Petersen, Peter, Eine freie allgemeine Volksschule, in: Röhrs, H. a.a.O., S. 209ff

[11]            Petersen, Peter, Eine freie allgemeine Volksschule, in: Röhrs, H. a. a. O., S. 209ff

[12]            Petersen, P./Wolff, H., Eine Grundschule nach …, in: Röhrs, H., a.a.O., S. 216ff.

[13]            Petersen, Peter, Eine freie allgemeine Volksschule, in: Röhrs, H. a.a.O., S. 209ff

[14]            Petersen, Peter, Führungslehre des Unterrichts, 5. Aufl. Weinheim 1955, S. 182

[15]            Prospekt der Jenaplan-Forschungsstelle der Justus-Liebig-Universität in Gießen

[16]            Vgl. dazu vor allem die Ausführungen Maria Montessoris, in deren Pädagogik die Arbeit im Vordergrund
                   der kindlichen Entwicklung steht.

[17]            Peter Petersens Konzept des Jenaplans soll ausdrücklich den pädagogischen Anachronismus des

                  Sitzenbleibens durch entsprechende schulische Organisationsformen verhindern.

[18]            Zur Entstehungsgeschichte des Jenaplans, in: WPB (1952), S.449-452

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